Carl Maria von Weber
Günter Braunsberg: Oberons Welt in Literatur, Musik und Kunst
in: Oberon. Romantische Oper von Carl Maria von Weber, Programmheft
Oper Nürnberg 1993, S. 11-23
in: Oberon. Romantische Oper von Carl Maria von Weber, Programmheft
Oper Nürnberg 1993, S. 11-23
Oberons Welt in Literatur, Musik und Kunst
Nach der Uraufführung seiner Oper Freischütz (1821) erlangte Carl Maria von Weber rasch internationalen Ruhm. Wünsche nach speziellen Opernkompositionen wurden sowohl von Pariser als auch von Londoner Seite an ihn herangetragen. 1824 entschied er sich für das Angebot von Charles Kemble, dem Direktor des Covent-Garden-Theaters, der zwei "deutsche" Themen zur Auswahl stellte: "Faust" und "Oberon". Weber wählte letzteres. Somit wurde Christoph Martin Wielands 1780 erstmals erschienenes Versepos Oberon zur Ausgangsidee der Weberschen Oper.
Wieland wiederum schrieb in seiner Vorrede an den Leser: Ein großer Theil der Materialien zu gegenwärtigem Gedichte [...] ist aus dem alten Ritterbuche von "Huon de Bordeaux" genommen. Er bezog sich somit auf eine alte französische Quelle. Huon de Bordeaux war zwischen 1216 und 1232 als Versepos entstanden. Im Laufe der Zeit wurde die Handlung durch zusätzliche Episoden erweitert und schließlich im 15. Jahrhundert in Prosa umgeschrieben. Wieland lernte den Stoff 1778 in Comte Louis de Tressans Bibliotheque universelle des romans kennen.
Die Geschichte, die zum Sagenkreis um Karl den Großen gehört, besitzt wahrscheinlich einen historischen Kern: das gewaltsame Ende Karls des Kindes, eines Sohnes Karls des Kahlen, im Jahre 864, dessen Mörder außer Landes floh.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die Verbannung des zu Unrecht verurteilten Huon, der Karls Sohn in Notwehr getötet hat. Die zunächst verhängte Todesstafe wird in eine aberwitzige Bagdad-Mission umgewandelt, die kaum ausführbar erscheint und deren tödlicher Verlauf äußerst wahrscheinlich ist. Die zu bestehenden Abenteuer bilden den ritterlichen Kern des Epos.
Wieland allerdings ironisiert die - unzeitgemäße - epische Form und relativiert den ritterlichen Helden, indem er ihn anfangs recht tölpelhaft schildert. Erst durch die an ihn gestellten Herausforderungen gewinnt der Held menschliche Größe.
Bereits im französischen Vorbild findet Huon einen Helfer in Oberon. Wieland verändert jedoch die Charakterisierung dieser Zwergengestalt: Aber Oberon, der in diesem alten Ritterromane die Rolle des Deus ex machina spielt, und der Oberon, der dem gegenwärtigen Gedichte seinen Nahmen gegeben, sind zwey sehr verschiedene Wesen. Jener ist eine seltsame Art von Spuk, ein Mittelding von Mensch und Kobold, der Sohn von Julius Cäsar und einer Fee, der durch eine sonderbare Bezauberung in einen Zwerg verwandelt ist; der meinige ist mit dem Oberon, welcher in Chaucers "Merchant's Tale" und in Shakespeares "Midsummer-Night's-Dream" als ein Feen- oder Elfenkönig (King of Fayries) erscheint, eine und eben dieselbe Person [...]."
Wieland wiederum schrieb in seiner Vorrede an den Leser: Ein großer Theil der Materialien zu gegenwärtigem Gedichte [...] ist aus dem alten Ritterbuche von "Huon de Bordeaux" genommen. Er bezog sich somit auf eine alte französische Quelle. Huon de Bordeaux war zwischen 1216 und 1232 als Versepos entstanden. Im Laufe der Zeit wurde die Handlung durch zusätzliche Episoden erweitert und schließlich im 15. Jahrhundert in Prosa umgeschrieben. Wieland lernte den Stoff 1778 in Comte Louis de Tressans Bibliotheque universelle des romans kennen.
Die Geschichte, die zum Sagenkreis um Karl den Großen gehört, besitzt wahrscheinlich einen historischen Kern: das gewaltsame Ende Karls des Kindes, eines Sohnes Karls des Kahlen, im Jahre 864, dessen Mörder außer Landes floh.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die Verbannung des zu Unrecht verurteilten Huon, der Karls Sohn in Notwehr getötet hat. Die zunächst verhängte Todesstafe wird in eine aberwitzige Bagdad-Mission umgewandelt, die kaum ausführbar erscheint und deren tödlicher Verlauf äußerst wahrscheinlich ist. Die zu bestehenden Abenteuer bilden den ritterlichen Kern des Epos.
Wieland allerdings ironisiert die - unzeitgemäße - epische Form und relativiert den ritterlichen Helden, indem er ihn anfangs recht tölpelhaft schildert. Erst durch die an ihn gestellten Herausforderungen gewinnt der Held menschliche Größe.
Bereits im französischen Vorbild findet Huon einen Helfer in Oberon. Wieland verändert jedoch die Charakterisierung dieser Zwergengestalt: Aber Oberon, der in diesem alten Ritterromane die Rolle des Deus ex machina spielt, und der Oberon, der dem gegenwärtigen Gedichte seinen Nahmen gegeben, sind zwey sehr verschiedene Wesen. Jener ist eine seltsame Art von Spuk, ein Mittelding von Mensch und Kobold, der Sohn von Julius Cäsar und einer Fee, der durch eine sonderbare Bezauberung in einen Zwerg verwandelt ist; der meinige ist mit dem Oberon, welcher in Chaucers "Merchant's Tale" und in Shakespeares "Midsummer-Night's-Dream" als ein Feen- oder Elfenkönig (King of Fayries) erscheint, eine und eben dieselbe Person [...]."
Wieland schildert Oberon zum einen in der (verwandelten) Gestalt eines amorgleichen Kindes, zum anderen (in seiner eigentlichen Erscheinungsform) als apollinisch schönen Jüngling (XII, 71):
Nicht mehr ein Knabe, wie er ihnen
In lieblicher Verkleidung sonst erschienen -
Ein Jüngling, ewig schön und ewig blühend, stand
Der Elfenkönig da, den Ring an seiner Hand.
Im Gegensatz dazu handelt es sich in Huon de Bordeaux noch um einen buckligen, nur drei Fuß hohen Zwerg, dessen Antlitz aber engelhafte Schönheit besitzt. (Il n'a que trois pieds de hauteur: il est tout bossu, mais il a un visage angelique).
Der Name Oberon leitet sich vom altfranzösischen Begriff Auberon bzw. Alberon ab, der sich wiederum auf die germanische Sagengestalt Alberich bezieht, dessen Bezeichnung zwei Begriffe vereint zum einen das bis ins Althochdeutsche zurückverfolgbare Wort alp, bzw. alb = Elf (das heute noch in Alptraum oder Alpdrücken gebräuchlich ist), zum anderen das gotische reiks = Herrscher. Während der germanische Alberich eine finster-dämonische Gestalt (im Nibelungenlied geradezu die Personifikation des Bösen) ist, tendiert Oberon zu Hilfsbereitschaft, Heiterkeit und Schönheit.
Neben Rittertum, Orient und Geisterwelt interessiert Wieland vor allem der Liebesbegriff. Die Schicksale dreier Liebespaare sind eng miteinander verflochten:
Huon und Rezia, Oberon und Titania, Gangolf und Rosette.
Letztere (die in der Oper nicht vorkommen) liefern bei Wieland den Grund für das Zerwürfnis zwischen Oberon und Titania. Oberon verurteilt Rosette, die ihren viel älteren, sie quälenden Mann betrügt, und behauptet, alle Frauen seien untreu. Aber Titania verteidigt Rosette
(VI, 89):
Ist Gangolf etwa ohne Schuld?
Ist Freyheit euer Loos, und unsers nur Geduld?
Der Name Oberon leitet sich vom altfranzösischen Begriff Auberon bzw. Alberon ab, der sich wiederum auf die germanische Sagengestalt Alberich bezieht, dessen Bezeichnung zwei Begriffe vereint zum einen das bis ins Althochdeutsche zurückverfolgbare Wort alp, bzw. alb = Elf (das heute noch in Alptraum oder Alpdrücken gebräuchlich ist), zum anderen das gotische reiks = Herrscher. Während der germanische Alberich eine finster-dämonische Gestalt (im Nibelungenlied geradezu die Personifikation des Bösen) ist, tendiert Oberon zu Hilfsbereitschaft, Heiterkeit und Schönheit.
Neben Rittertum, Orient und Geisterwelt interessiert Wieland vor allem der Liebesbegriff. Die Schicksale dreier Liebespaare sind eng miteinander verflochten:
Huon und Rezia, Oberon und Titania, Gangolf und Rosette.
Letztere (die in der Oper nicht vorkommen) liefern bei Wieland den Grund für das Zerwürfnis zwischen Oberon und Titania. Oberon verurteilt Rosette, die ihren viel älteren, sie quälenden Mann betrügt, und behauptet, alle Frauen seien untreu. Aber Titania verteidigt Rosette
(VI, 89):
Ist Gangolf etwa ohne Schuld?
Ist Freyheit euer Loos, und unsers nur Geduld?
Als Rosette von ihrem Mann auf frischer Tat ertappt wird, verleiht Titania ihr die nötige Schlagfertigkeit, die dazu führt, daß sich die Partner wieder versöhnen. Aber Oberon bezieht diesen Triumph der Falschheit auf sich und seine Liebesbeziehung (VI, 98):
Ich glaubte mich geliebt, und fand mein Glück darin.
Es war ein Traum - Dank dir, daß ich entzaubert bin. [...]
Von nun an müssen wir uns trennen.
Wieland zeigt an Oberon und Titania die Desillusionierung eines Liebespaares, das schon längere Zeit zusammenlebt. Jeder glaubt den anderen zu kennen und ist umso mehr enttäuscht, als sich herausstellt, daß der andere anders denkt.
Wieland geht es bei seinem Liebesbegriff um eine der Kernfragen der Aufklärungszeit: was ist natürlich, was entspricht der Natur des Menschen - und was ist lediglich gesellschaftliche Konvention? Während Oberon das juristisch verbriefte Recht des Ehemanns Gangolf sieht, das durch Rosettes Untreue geschmälert wird, erkennt Titania die menschlichen Qualen, die sich aus der unnatürlichen - aber aus Gründen der Standeserhöhung der Frau gesellschaftlich unterstützten - Verbindung eines Greises mit einer jungen Frau entwickelt haben.
Im Gegensatz zum schon etwas abgeklärten Paar Oberon und Titania, stehen Hüon und Rezia ganz am Anfang des Traums, der sich Liebe nennt. Sie erleben einander als die Vision des anderen Menschen, der nur für einen selbst geschaffen ist. Nichts kann ihre
Liebe bremsen, weder räumliche Distanz, noch tödliche Gefahr, weder Rasse, noch Nationalität. Ihre Treue ist keine äußere Konvention, sondern ein inneres Bedürfnis. Ihre Treue ist die Hoffnung für Oberon und Titania, denn sie zeigt, dass Liebe möglich ist.
Ich glaubte mich geliebt, und fand mein Glück darin.
Es war ein Traum - Dank dir, daß ich entzaubert bin. [...]
Von nun an müssen wir uns trennen.
Wieland zeigt an Oberon und Titania die Desillusionierung eines Liebespaares, das schon längere Zeit zusammenlebt. Jeder glaubt den anderen zu kennen und ist umso mehr enttäuscht, als sich herausstellt, daß der andere anders denkt.
Wieland geht es bei seinem Liebesbegriff um eine der Kernfragen der Aufklärungszeit: was ist natürlich, was entspricht der Natur des Menschen - und was ist lediglich gesellschaftliche Konvention? Während Oberon das juristisch verbriefte Recht des Ehemanns Gangolf sieht, das durch Rosettes Untreue geschmälert wird, erkennt Titania die menschlichen Qualen, die sich aus der unnatürlichen - aber aus Gründen der Standeserhöhung der Frau gesellschaftlich unterstützten - Verbindung eines Greises mit einer jungen Frau entwickelt haben.
Im Gegensatz zum schon etwas abgeklärten Paar Oberon und Titania, stehen Hüon und Rezia ganz am Anfang des Traums, der sich Liebe nennt. Sie erleben einander als die Vision des anderen Menschen, der nur für einen selbst geschaffen ist. Nichts kann ihre
Liebe bremsen, weder räumliche Distanz, noch tödliche Gefahr, weder Rasse, noch Nationalität. Ihre Treue ist keine äußere Konvention, sondern ein inneres Bedürfnis. Ihre Treue ist die Hoffnung für Oberon und Titania, denn sie zeigt, dass Liebe möglich ist.
Aber auch die Sexualität ist bei Wieland ein natürlicher Bestandteil der Liebe. Hüon und Rezia gelingt es trotz aller Bemühungen nicht, einander zu entsagen. Noch bevor ihr Schiff sie zum Papst nach Rom gebracht hat, der sie trauen soll, erliegen sie ihrem Verlangen. Sofort trifft sie die Rache Oberons, der keusche Lieb gefordert hatte. Er entfesselt den Sturm.
Die Schiffsbesatzung bestimmt Hüon dazu, seine Schuld zu sühnen und die Geister durch seinen Tod wieder zu versöhnen. Die liebende Rezia stürzt sich freiwillig mit ihm in die Fluten. Ihre verzweifelte Dienerin Fatime wird zurückgehalten (Füsslis Darstellung auf S. 2).
Hüons Resümee:
Ist Liebe Schuld, so mag der Himmel mir verzeihen!
[...] Nein! diese heil'ge Gluth erstickt kein Wellengrab!
Andererseits existiert Sexualität auch als Verführungskunst, die nicht auf Liebe, sondern auf Macht und Besitz abzielt. Sie findet in Roschana ihre Personifikation. Ganz allgemein verkörpert Roschana aber auch jenen Traumtyp von Haremsfrau, dem das 19. Jahrhundert seine ins Exotische entrückte erotische Gegenwelt zur engen europäischen Moral verdankte.
Ingres Odaliske (S. 16 / 17) vergegenwärtigt jene Frau der Männerträume, die nur darauf wartet, daß "er" (dessen Platz der Bildbetrachter einnimmt) zu ihr kommt. Sie ist ganz Objekt, Besitz des Mannes - wie die edlen Stoffe und Gegenstände, wie der luxuriöse Garten, wie die erlesene Dienerschaft.
Die zahlreichen, ineinander verwobenen Einzelaspekte des Wielandschen Oberon, die hier nur angedeutet werden konnten, zwangen James Robinson Planché bei der Ausarbeitung des Opernlibrettos zu Auswahl und Neustrukturierung. Er isolierte einige der dramatischsten Situationen - also oft jene, bei denen Oberon eingreift. Dadurch wurde der Feenkönig wieder stärker als Deus ex machina definiert. Den Handlungsspielraum, der bei Wieland anderen Personen zusteht, füllt bei Planché häufig Oberon aus. Er agiert, um seiner Frau einen Beweis vorzuführen. Bei Planché (nicht in der Nürnberger Inszenierung) tritt Titania völlig in den Hintergrund. Auch Hüon und Rezia sind keine gleichberechtigt liebenden Partner mehr. Hüon ist Held, Rezia liebende Gattin. Der Männer-Chauvinismus des 19. Jahrhunderts - der Wieland fern lag - kündigt sich an.
Seine etwas abgewandelte Charakterisierung Oberons hat bei Planché aber auch damit zu tun, daß im Libretto Ideen aus Shakespeares Sommernachtstraum aufgegriffen werden. So entzweit jetzt das Elfenpaar der auf Lustgewinn gerichtete Wunsch nach dem indischen Knaben - und nicht die Treueproblematik der Gangolf und Rosette - Geschichte.
Die Arie Schreckensschwur verdeutlicht, daß in Webers Oper Oberon wieder stärker die Züge des triebhaft-animalischen Dämons besitzt, der die Trennung von seiner Frau physisch und psychisch kaum verkraftet. Dieser Oberon deutet schon voraus auf Baselitz, dessen Oberon-Köpfe (Abb. S. 19) in eine ganze Werkgruppe aus phallischen, aus dem Erdreich aufragenden Gebilden gehören. Sie sind Boten der sexuellen Revolution der sechziger Jahre, als Tabus gebrochen wurden, um Liebe als ein natürliches Ganzes aus Gefühl und Körperlichkeit erfahrbar zu machen.
Aber das Liebes-Ideal, das zwar durch die Realität gefährdet wird und dennoch zur konkret gelebten Utopie führen kann, bleibt aktuell: die Waffenlosen von Felix Droese (Abb. S. 23) schmiegen sich aneinander, obwohl ihr Boot im Unrat der Welt zu versinken droht.
Die Arie Schreckensschwur verdeutlicht, daß in Webers Oper Oberon wieder stärker die Züge des triebhaft-animalischen Dämons besitzt, der die Trennung von seiner Frau physisch und psychisch kaum verkraftet. Dieser Oberon deutet schon voraus auf Baselitz, dessen Oberon-Köpfe (Abb. S. 19) in eine ganze Werkgruppe aus phallischen, aus dem Erdreich aufragenden Gebilden gehören. Sie sind Boten der sexuellen Revolution der sechziger Jahre, als Tabus gebrochen wurden, um Liebe als ein natürliches Ganzes aus Gefühl und Körperlichkeit erfahrbar zu machen.
Aber das Liebes-Ideal, das zwar durch die Realität gefährdet wird und dennoch zur konkret gelebten Utopie führen kann, bleibt aktuell: die Waffenlosen von Felix Droese (Abb. S. 23) schmiegen sich aneinander, obwohl ihr Boot im Unrat der Welt zu versinken droht.
Günter Braunsberg: Aus Webers Briefen an seine Frau (1826)
Zitatsammlung in: Oberon. Romantische Oper von Carl Maria von Weber
Programmheft, Oper Nürnberg 1993, S. 25-28
Aus Webers Briefen an seine Frau (1826)
4.3.: Mit Gottes Hülfe rufe ich meinem geliebten Weibe ein herzliches Willkommen von englischem Grund und Boden aus Dover zu!
12.3.: Passe gar nicht mehr in die Welt! Mein Gott, wenn ich bedenke, wie überschwenglich glücklich und in Wonne schwimmend Tausende an meiner Stelle wären, so bin ich doppelt betrübt, daß es mir versagt ist, all' das Herrliche auch zu genießen. Wo ist der frohe, kräftige Lebensmuth hin, den ich sonst hatte? Freilich kann ich nichts dafür, es ist rein körperlich, und so lange ich mich nicht wieder eines recht freien Gesundheits Gefühles erfreuen kann, so lange giebt es auch keine wahre Freude für mich. [...] Gestern, den 11., morgens gearbeitet und um 12 Uhr Probe vom Oberon mit den Solosängern bei mir gehabt. Zu meiner völligen Zufriedenheit: [...J Auf Decorationen und Maschinerien wird sehr viel verwendet und was ich davon gesehen habe, ist höchst sinnreich. Die Kostüme sind vom Dichter mit großer Phantasie angegeben; die Elfen werden fast aussehen wie Bienen, Schmetterlinge oder Blumen.
13.3.: Die Unruhe, die hier bei den vielen Bankerotten war, ist schon größtentheils verschwunden; in einer solchen Weltstadt gleicht sich bald Alles wieder aus. Allerdings hat es aber doch Einfluß, besonders auf die Privat-Vergnügungen. Nun, ich werde ja sehen, was zu thun ist; sobald ich sehe, daß Nichts mehr zu verdienen ist, fahre ich sogleich ab.
20.3.: Ich brauch die Zeit zum Arbeiten, so gut es geht. Gestern habe ich das Finale des dritten Actes beendigt. Heute hoffe ich die Arie für Braham zu entwerfen. [...] Um 4 Uhr dirigirte ich [...J zum vierten und letzten Male den "Freischütz", bei immer gleichem Enthusiasmus; Jubel-Ouvertüre da capo. [...] Abends war Fawcett's Benefiz, wo ich ihm die Ouvertüre aus dem "Freischütz" (zur Abwechslung) dirigirte. Ungeheurer Lärm, sowie ich mich nur sehen lasse. Da capo. [...J Sei ruhig, liebes Herz, ich glaube, ich habe Dir schon geschrieben, daß ich mich durchaus für keine neue Oper oder dergl. binden lasse; ich will diese Zeit über meine Pflicht gehörig thun, dann aber auch ruhen. Den dummen Husten möchte ich gern hier lassen, wenn er will, ich werde ihn nicht halten. Vielleicht thut der Frühling Etwas.
23.3.: Den 21., [...] hatte ich noch einen harten Tag, oder Nacht vielmehr. [...] Um 1/2 11 Uhr fuhr ich zu Lord Hertford. Gott, welche große Gesellschaft! Herrlicher Saal, 500 bis 600 Personen da, Alles im höchsten Glanze. Fast die ganze italienische Opern Gesellschaft, auch Veluti etc., zwei Trompeter, ein Waldhornist (der berühmte Puzzi) und ein Contrabaß, der ebenso berühmte Dragonetti. Da wurden Finales gesungen etc., aber kein Mensch hörte zu. Das Geschwirr und Geplauder der Menschenmenge war entsetzlich. Wie ich meine Polacca in Es spielte, suchte man einige Ruhe zu stiften und ungefähr 100 Personen sammelten sich theilnehmendst um mich; was sie aber gehört haben, weiß Gott, denn ich hörte selbst nicht viel davon. Ich dachte dabei fleißig an meine 30 Guineen und war so ganz geduldig. Gegen 2 Uhr ging man endlich zum Souper, wo ich mich aber empfahl und in mein Bett eilte. Gestern, den 22., ging ich den ganzen Tag nicht aus und arbeitete ziemlich ungestört. [...] Heute habe ich denn auch den ganzen Morgen gearbeitet. [...] Man hat noch Vielerlei mit mir vor, was Alles erst ausgekocht werden muß, ehe ich dir davon erzählen kann. Soviel ist aber gewiß, die Leute meinen es gut und rühren sich auch dafür und sind nicht bloße Wünscher und Maulhelden.
24.3. (Karfreitag): Leider muß ich noch vor Tisch aus, zu Madame Cordadori, eine Arie durchsingen, fatale Commission, die mir Herr Moscheles aufgepackt hat, weil sie eine Arie von mir in seinem Concert singt und zwar Deutsch. Curios! In England Deutsch im Concert; wie sich die Welt umdreht! Morgen hat nun der liebe Hausfriede wieder ein Ende und die Proben etc. gehen wieder los. Der Ostermontag hat aber seine Schrecken für mich verloren, und was das Seltsamste ist, ich werde an diesem Tage einen "Oberon" sehen. Ja, ja, die hiesigen Theater arbeiten auch vortrefflich gegen einander. Da haben sie im Drury-Lane einen alten "Oberon", der vor mehreren Jahren mißfallen hat, hervorgesucht, geben ihn mit vieler Pracht, Musik von verschiedenen Meistern, um das Publicum von unserem "Oberon" abzuziehen. Das Publicum will aber meine Musik zum "Oberon" hören, und es ist sehr leicht möglich, daß das Dings ausgepfiffen wird, weil viele Menschen über diese Bosheit erbittert sind. Mich ist es ejal. Ich gehe hin und sehe es mit an, vielleicht ist manche gute Idee weiter zu benutzen.
4.4.: Gestern, den 3., hatte ich Probe vom dritten Acte des "Oberon" im Theater, von zwölf bis drei. Schöne Decorationen. Ohne Miß Paton war die Probe füglich unvollständig, inzwischen, es mußte doch probirt werden. Nun gehe ich aber zu keiner Probe mehr, als zu der letzten, wenn Alles beisammen ist. Meine Ideen habe ich mitgetheilt; das Orchester geht schon recht brav und somit kann ich zu Hause hocken und mich schonen zu den letzten Druckern. [...] Um 8 Uhr dirigirte ich das große Philharmonische Concert. Mein Empfang war, wie gewöhnlich, enthusiastisch über alle Beschreibung. Das Sonderbare dabei ist, daß das Orchester auch eine Stimme hat, applaudirt und auf die Violinen mit den Bogen pocht, um seine Freude zu erkennen zu geben. Es ging Alles ganz vortrefflich und war ein herrlicher Abend. Mozart, Haydn, Beethoven und meine Wenigkeit, also blos Deutsche lieferten die Stücke. Von mir wurde gegeben: mein "Rondo", das Frau Coradori ganz vollendet sang; Ouvertüre "Euryanthe" - da capo. Tenor-Arie aus dem "Freischütz", - Signor Sagnio sehr gut. Ouvertüre aus dem "Freischütz".
6.4.: [...] nun nur noch ein Theil der Ouvertüre, und eine Oper ist abermals zur Welt gebracht. Gott gebe, daß sie was taugt, - ich mach' mir nicht viel draus, wie mir überhaupt täglich meine Musik widerwärtiger wird. I...] Fürstenau hat sehr gefallen, aber es ist nicht bequem, neben mir zu stehen. Die Menschen, in Masse nämlich, haben nun einmal den Narren an mir gefressen. [...] Gestern früh hatte ich einen schönen Schreck; ohne mich zu fragen, hatte man Oberon auf den 12. angesetzt, - künftigen Mittwoch. Es ist aber nur ein Schreckschuß, um die Sänger zum ernstlichen Lernen zu bringen, und überhaupt zu sehen, wie weit die Sache ist. Es wird aber doch ernst und Freitag, den 14., könnte die Oper wohl sein.
12.4.: Durch Gottes Gnade und Beistand habe ich heute Abend abermals einen so vollständigen Erfolg gehabt, wie vielleicht noch niemals. Das Glänzende und Rührende eines solchen vollständigen und ungetrübten Triumphes ist gar nichl zu beschreiben. Gott allein die Ehre! Wie ich ins Orchester trat, erhob sich das ganze überfüllte Haus und ein unglaublicher Jubel. Vivat- und Hurra-Rufen, Hüte- und Tücherschwenken empfing mich und war kaum wieder zu stillen. Die Ouvertüre mußte wiederholt werden. Jedes Musik-Stück zwei-dreimal mit dem größten Enthusiasmus wiederholt unterbrochen. Brahams Arie da capa. Im 2. Akt Fatimes Romanze und das Quartett da capo. Das Finale wollten sie auch zweimal haben, es ging aber wegen des Szenischen nicht. Im 3. Akt Fatimes Ballade da capo. Am Ende mit Sturmgewalt mich herausgerufen, eine Ehre, die in England noch nie einem Komponisten wideifahren ist.
2.6.: Welches Glück für mich Euch so gesund zu wissen. Wie beneide ich Euch um Euren Appetit. Hätte ich nur den tausendsten Theil davon. Aber leider bin ich noch sehr erregt und angegriffen. Guter Gott, nur erst im Wagen sitzen! Mein Concert ist doch noch besser ausgefallen, als ich dachte; ich habe gegen 100 Pfd. Sterl. übrig, für Deutschland viel, für London nicht. Wäre nur der "Freischütz" künftigen Montag erst überstanden. Nun, Gott wird Kräfle schenken! [...] Gott segne Euch Alle und erhalte Euch gesund. Wäre ich nur schon in Eurer Mitte. Ich küsse Dich innigst, meine geliebte Mukkin, behalte mich auch lieb und denke heiter an Deinen Dich über Alles liebenden Carl.
Carl Maria von Weber starb in England ohne seine Familie wiedergesehen zu haben.
Zitatsammlung in: Oberon. Romantische Oper von Carl Maria von Weber
Programmheft, Oper Nürnberg 1993, S. 25-28
Aus Webers Briefen an seine Frau (1826)
4.3.: Mit Gottes Hülfe rufe ich meinem geliebten Weibe ein herzliches Willkommen von englischem Grund und Boden aus Dover zu!
12.3.: Passe gar nicht mehr in die Welt! Mein Gott, wenn ich bedenke, wie überschwenglich glücklich und in Wonne schwimmend Tausende an meiner Stelle wären, so bin ich doppelt betrübt, daß es mir versagt ist, all' das Herrliche auch zu genießen. Wo ist der frohe, kräftige Lebensmuth hin, den ich sonst hatte? Freilich kann ich nichts dafür, es ist rein körperlich, und so lange ich mich nicht wieder eines recht freien Gesundheits Gefühles erfreuen kann, so lange giebt es auch keine wahre Freude für mich. [...] Gestern, den 11., morgens gearbeitet und um 12 Uhr Probe vom Oberon mit den Solosängern bei mir gehabt. Zu meiner völligen Zufriedenheit: [...J Auf Decorationen und Maschinerien wird sehr viel verwendet und was ich davon gesehen habe, ist höchst sinnreich. Die Kostüme sind vom Dichter mit großer Phantasie angegeben; die Elfen werden fast aussehen wie Bienen, Schmetterlinge oder Blumen.
13.3.: Die Unruhe, die hier bei den vielen Bankerotten war, ist schon größtentheils verschwunden; in einer solchen Weltstadt gleicht sich bald Alles wieder aus. Allerdings hat es aber doch Einfluß, besonders auf die Privat-Vergnügungen. Nun, ich werde ja sehen, was zu thun ist; sobald ich sehe, daß Nichts mehr zu verdienen ist, fahre ich sogleich ab.
20.3.: Ich brauch die Zeit zum Arbeiten, so gut es geht. Gestern habe ich das Finale des dritten Actes beendigt. Heute hoffe ich die Arie für Braham zu entwerfen. [...] Um 4 Uhr dirigirte ich [...J zum vierten und letzten Male den "Freischütz", bei immer gleichem Enthusiasmus; Jubel-Ouvertüre da capo. [...] Abends war Fawcett's Benefiz, wo ich ihm die Ouvertüre aus dem "Freischütz" (zur Abwechslung) dirigirte. Ungeheurer Lärm, sowie ich mich nur sehen lasse. Da capo. [...J Sei ruhig, liebes Herz, ich glaube, ich habe Dir schon geschrieben, daß ich mich durchaus für keine neue Oper oder dergl. binden lasse; ich will diese Zeit über meine Pflicht gehörig thun, dann aber auch ruhen. Den dummen Husten möchte ich gern hier lassen, wenn er will, ich werde ihn nicht halten. Vielleicht thut der Frühling Etwas.
23.3.: Den 21., [...] hatte ich noch einen harten Tag, oder Nacht vielmehr. [...] Um 1/2 11 Uhr fuhr ich zu Lord Hertford. Gott, welche große Gesellschaft! Herrlicher Saal, 500 bis 600 Personen da, Alles im höchsten Glanze. Fast die ganze italienische Opern Gesellschaft, auch Veluti etc., zwei Trompeter, ein Waldhornist (der berühmte Puzzi) und ein Contrabaß, der ebenso berühmte Dragonetti. Da wurden Finales gesungen etc., aber kein Mensch hörte zu. Das Geschwirr und Geplauder der Menschenmenge war entsetzlich. Wie ich meine Polacca in Es spielte, suchte man einige Ruhe zu stiften und ungefähr 100 Personen sammelten sich theilnehmendst um mich; was sie aber gehört haben, weiß Gott, denn ich hörte selbst nicht viel davon. Ich dachte dabei fleißig an meine 30 Guineen und war so ganz geduldig. Gegen 2 Uhr ging man endlich zum Souper, wo ich mich aber empfahl und in mein Bett eilte. Gestern, den 22., ging ich den ganzen Tag nicht aus und arbeitete ziemlich ungestört. [...] Heute habe ich denn auch den ganzen Morgen gearbeitet. [...] Man hat noch Vielerlei mit mir vor, was Alles erst ausgekocht werden muß, ehe ich dir davon erzählen kann. Soviel ist aber gewiß, die Leute meinen es gut und rühren sich auch dafür und sind nicht bloße Wünscher und Maulhelden.
24.3. (Karfreitag): Leider muß ich noch vor Tisch aus, zu Madame Cordadori, eine Arie durchsingen, fatale Commission, die mir Herr Moscheles aufgepackt hat, weil sie eine Arie von mir in seinem Concert singt und zwar Deutsch. Curios! In England Deutsch im Concert; wie sich die Welt umdreht! Morgen hat nun der liebe Hausfriede wieder ein Ende und die Proben etc. gehen wieder los. Der Ostermontag hat aber seine Schrecken für mich verloren, und was das Seltsamste ist, ich werde an diesem Tage einen "Oberon" sehen. Ja, ja, die hiesigen Theater arbeiten auch vortrefflich gegen einander. Da haben sie im Drury-Lane einen alten "Oberon", der vor mehreren Jahren mißfallen hat, hervorgesucht, geben ihn mit vieler Pracht, Musik von verschiedenen Meistern, um das Publicum von unserem "Oberon" abzuziehen. Das Publicum will aber meine Musik zum "Oberon" hören, und es ist sehr leicht möglich, daß das Dings ausgepfiffen wird, weil viele Menschen über diese Bosheit erbittert sind. Mich ist es ejal. Ich gehe hin und sehe es mit an, vielleicht ist manche gute Idee weiter zu benutzen.
4.4.: Gestern, den 3., hatte ich Probe vom dritten Acte des "Oberon" im Theater, von zwölf bis drei. Schöne Decorationen. Ohne Miß Paton war die Probe füglich unvollständig, inzwischen, es mußte doch probirt werden. Nun gehe ich aber zu keiner Probe mehr, als zu der letzten, wenn Alles beisammen ist. Meine Ideen habe ich mitgetheilt; das Orchester geht schon recht brav und somit kann ich zu Hause hocken und mich schonen zu den letzten Druckern. [...] Um 8 Uhr dirigirte ich das große Philharmonische Concert. Mein Empfang war, wie gewöhnlich, enthusiastisch über alle Beschreibung. Das Sonderbare dabei ist, daß das Orchester auch eine Stimme hat, applaudirt und auf die Violinen mit den Bogen pocht, um seine Freude zu erkennen zu geben. Es ging Alles ganz vortrefflich und war ein herrlicher Abend. Mozart, Haydn, Beethoven und meine Wenigkeit, also blos Deutsche lieferten die Stücke. Von mir wurde gegeben: mein "Rondo", das Frau Coradori ganz vollendet sang; Ouvertüre "Euryanthe" - da capo. Tenor-Arie aus dem "Freischütz", - Signor Sagnio sehr gut. Ouvertüre aus dem "Freischütz".
6.4.: [...] nun nur noch ein Theil der Ouvertüre, und eine Oper ist abermals zur Welt gebracht. Gott gebe, daß sie was taugt, - ich mach' mir nicht viel draus, wie mir überhaupt täglich meine Musik widerwärtiger wird. I...] Fürstenau hat sehr gefallen, aber es ist nicht bequem, neben mir zu stehen. Die Menschen, in Masse nämlich, haben nun einmal den Narren an mir gefressen. [...] Gestern früh hatte ich einen schönen Schreck; ohne mich zu fragen, hatte man Oberon auf den 12. angesetzt, - künftigen Mittwoch. Es ist aber nur ein Schreckschuß, um die Sänger zum ernstlichen Lernen zu bringen, und überhaupt zu sehen, wie weit die Sache ist. Es wird aber doch ernst und Freitag, den 14., könnte die Oper wohl sein.
12.4.: Durch Gottes Gnade und Beistand habe ich heute Abend abermals einen so vollständigen Erfolg gehabt, wie vielleicht noch niemals. Das Glänzende und Rührende eines solchen vollständigen und ungetrübten Triumphes ist gar nichl zu beschreiben. Gott allein die Ehre! Wie ich ins Orchester trat, erhob sich das ganze überfüllte Haus und ein unglaublicher Jubel. Vivat- und Hurra-Rufen, Hüte- und Tücherschwenken empfing mich und war kaum wieder zu stillen. Die Ouvertüre mußte wiederholt werden. Jedes Musik-Stück zwei-dreimal mit dem größten Enthusiasmus wiederholt unterbrochen. Brahams Arie da capa. Im 2. Akt Fatimes Romanze und das Quartett da capo. Das Finale wollten sie auch zweimal haben, es ging aber wegen des Szenischen nicht. Im 3. Akt Fatimes Ballade da capo. Am Ende mit Sturmgewalt mich herausgerufen, eine Ehre, die in England noch nie einem Komponisten wideifahren ist.
2.6.: Welches Glück für mich Euch so gesund zu wissen. Wie beneide ich Euch um Euren Appetit. Hätte ich nur den tausendsten Theil davon. Aber leider bin ich noch sehr erregt und angegriffen. Guter Gott, nur erst im Wagen sitzen! Mein Concert ist doch noch besser ausgefallen, als ich dachte; ich habe gegen 100 Pfd. Sterl. übrig, für Deutschland viel, für London nicht. Wäre nur der "Freischütz" künftigen Montag erst überstanden. Nun, Gott wird Kräfle schenken! [...] Gott segne Euch Alle und erhalte Euch gesund. Wäre ich nur schon in Eurer Mitte. Ich küsse Dich innigst, meine geliebte Mukkin, behalte mich auch lieb und denke heiter an Deinen Dich über Alles liebenden Carl.
Carl Maria von Weber starb in England ohne seine Familie wiedergesehen zu haben.