Dan Reeder
Günter Braunsberg: Dan Reeder. Ohne Rücksicht auf Verluste!
in: positionen + tendenzen. Junge Kunst in Franken 1995, Nürnberg 1995, S. 70 - 73
Ohne Rücksicht auf Verluste!
Seine Bilder sind Bilder, die raus müssen, raus aus seinem Innern. Sein inneres Aufgewühltsein zwingt ihn zu malen, Bilder zu malen, die oft "daneben" liegen, Bilder zu malen, die einfach so sind, wie sie sein müssen, ohne Rücksicht auf Kunst-Postulate, ohne Rücksicht auf die Kritiker, ohne Rücksicht auf Verluste.
"Daneben" = Ziel verfehlt? Mitnichten!
Reeders Kunst-Theorie (Art-Theory) lautet sowohl Ich bin nicht hier, um Witze zu machen. Ich bin hier, um Euch zu retten, als auch Kennst Du den von der Ente und dem schwulen Eskimo?.
Der Künstler ist Missionar und Witzemacher in einer Person. Er wagt die Gratwanderung zwischen Engel und Mensch, zwischen Himmel und Erde, zwischen Ideal und Realität. Tot-Ernst und Lebens-Lust, Arbeit und Spaß, lockere Beiläufigkeit und bittere Notwendigkeit, das Anziehende und das Abstoßende, alles muss drin sein in seiner Kunst.
Dan Reeder studierte Naturwissenschaften, Musik, schließlich Kunst. Sein Kunststudium in den USA bedeutete aber vor allem viel Theorie, zu viel für diesen Künstler, denn seither ist ihm jede Theorie suspekt: Es geht nicht, dass nur möglich ist, was in die Theorie passt. Wenn man sich auf das beschränkt, was erlaubt ist, muss zu viel draußen bleiben. Die Farb-Theorie funktioniert zum Beispiel überhaupt nicht. Deshalb kam es in seinen frühen Bildern zum Total-Verzicht auf Buntfarben. Seine Interieurs und Stadtlandschaften waren nur Grau in Grau. Alles war Tristesse! Erst später, in Deutschland, in Berlin passierte es, dass die graue Stadt plötzlich nur noch Hintergrund war. In den Vordergrund schoben sich Phantasiegestalten, Alptraumwesen, niedergeschriebene Schreie und vor allem viele bunte, sehr bunte Farben. Nicht mehr "abgemalte" Außenwelt spiegelte auf indirektem Weg die trostlose Innenwelt des Künstlers, sondern sein Inneres brach direkt aus ihm heraus und lagerte sich ganz unmittelbar auf Leinwand oder Holztafel ab.
Dan Reeder liebt Selbstbildnisse, vor allem solche, bei denen der Künstler als Verkündigungsengel auftritt, oder im/als Flugzeug erscheint, das ständig von übermächtigen feindlichen Kräften bedroht wird und trotzdem geradlinig seinen Weg fortsetzt. Zu Betrachtungen des eigenen Selbst und seiner Verflechtungen mit seiner Umwelt werden oft auch die zahlreichen cartoonartigen Bild-Geschichten (vgl. zum Beispiel seinen Umgang mit den beiden Kunst-Kritikern der Nürnberger Nachrichten in The Crucifixion of Becker and Fenn).
Dan Reeder ist ein Chronist und Satiriker unserer Gesellschaft, der mit den Bild-Metaphern seiner Kunst auf seine eigenen Probleme abzielt - und dabei auch die unsrigen knackt.