Egon Eppich
Günter Braunsberg: Egon Eppich
in: jung nach ’45. Kunst in Nürnberg. Ein Jahrzehnt und eine Generation
Ausstellungskatalog, Kunsthalle Nürnberg 1995, S. 128f
Das Jahrzehnt von 1945 bis 1955 ist kunsthistorisch (aus heutiger Sicht gesehen) das Jahrzehnt der Ausformung und Durchsetzung des Abstrakten Expressionismus als internationale Kunstsprache. Jackson Pollock, Willem de Kooning, Franz Kline als "action painter" einerseits - und andererseits Clifford Still, Mark Rothko, Barnett Newman als "Farbfeldmaler" revolutionierten den Bild-Begriff. Künstler und Bild, bzw. Betrachter und Bild, standen nicht mehr einander "gegenüber", sondern das "Im-Bild-sein" kennzeichnete eine prinzipiell neue Form künstlerischer Kommunikation. Der unmittelbare Einsatz des Materials Farbe (ohne Umweg über Motiv und klassische Komposition) als Aktionsspur oder Meditationsfeld wurde zum elementar wirkenden, direkt auf die Psyche des Betrachters zielenden Träger des künstlerischen Ausdrucks.In das Jahrzehnt von 1945 bis 1955 fällt auch die Ausbildungszeit von Egon Eppich, der nach abgeschlossener Lithographenlehre von 1947 bis 1955 in Ellingen an der (kriegsbedingt ausgelagerten) Nürnberger Akademie der Bildenden Künste studierte. Sein ca. 1946 bis 1947 entstandenes erstes Gemälde (WV B 1) zeigt ein einfaches Haus in ländlicher Umgebung. Der junge Künstler bemüht sich um die Abbildung eines Landschaftsausschnittes. Er orientiert sich dabei am in Deutschland (bzw. in Nürnberg) kurz nach dem zweiten Weltkrieg üblichen Bildtypus des unspektakulären Landschaftsbildes. Mit den Bestrebungen der gleichzeitigen New York School hatte das natürlich nichts zu tun.
in: jung nach ’45. Kunst in Nürnberg. Ein Jahrzehnt und eine Generation
Ausstellungskatalog, Kunsthalle Nürnberg 1995, S. 128f
Das Jahrzehnt von 1945 bis 1955 ist kunsthistorisch (aus heutiger Sicht gesehen) das Jahrzehnt der Ausformung und Durchsetzung des Abstrakten Expressionismus als internationale Kunstsprache. Jackson Pollock, Willem de Kooning, Franz Kline als "action painter" einerseits - und andererseits Clifford Still, Mark Rothko, Barnett Newman als "Farbfeldmaler" revolutionierten den Bild-Begriff. Künstler und Bild, bzw. Betrachter und Bild, standen nicht mehr einander "gegenüber", sondern das "Im-Bild-sein" kennzeichnete eine prinzipiell neue Form künstlerischer Kommunikation. Der unmittelbare Einsatz des Materials Farbe (ohne Umweg über Motiv und klassische Komposition) als Aktionsspur oder Meditationsfeld wurde zum elementar wirkenden, direkt auf die Psyche des Betrachters zielenden Träger des künstlerischen Ausdrucks.In das Jahrzehnt von 1945 bis 1955 fällt auch die Ausbildungszeit von Egon Eppich, der nach abgeschlossener Lithographenlehre von 1947 bis 1955 in Ellingen an der (kriegsbedingt ausgelagerten) Nürnberger Akademie der Bildenden Künste studierte. Sein ca. 1946 bis 1947 entstandenes erstes Gemälde (WV B 1) zeigt ein einfaches Haus in ländlicher Umgebung. Der junge Künstler bemüht sich um die Abbildung eines Landschaftsausschnittes. Er orientiert sich dabei am in Deutschland (bzw. in Nürnberg) kurz nach dem zweiten Weltkrieg üblichen Bildtypus des unspektakulären Landschaftsbildes. Mit den Bestrebungen der gleichzeitigen New York School hatte das natürlich nichts zu tun.
Auffallend ist, daß Eppich bereits bei seinem zweiten Gemälde (WV B 2), einer Ansicht des Ellinger Schlosses, nicht nur das gewählte Motiv ins Bild setzt, sondern daß er auch die Frage nach dem, was ein Bild ist, in aller Deutlichkeit stellt. Das Motiv ist von sekundärer Bedeutung. Bildaufbau und Farbeinsatz lösen sich vom Vorgefundenen. Komposition und Farbe erlangen Freiheit und Ausdrucksstärke. Die Kraft des Bildes ergibt sich aus der Kraft der Bildmittel. Noch ist der Deutsche Expressionismus der zehner und zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts das Vorbild.
Bezeichnend, daß sich unter den wenigen erhaltenen frühen Werken Egon Eppichs auch einSelbstbildnis am Fenster von 1952 findet (WV B 12). Hier faszinierte den Künstler ursprünglich wahrscheinlich die Gegenlichtsituation, denn die Lichtquelle befindet sich hinter dem Abgebildeten. Sein Antlitz ist verschattet. In seiner maskenhaften Verschlossenheit wirkt er selbstbewußt. Fordernd blickt er aus dem Bild heraus dem Betrachter entgegen. Er sucht Blickkontakt. Seine Persönlichkeit wird dem Betrachter gegenwärtig - dank der Ausdruckskraft, die das Bild durch die Klarheit der verknappten Form und die Unmittelbarkeit des Farbauftrages gewinnt. Das Naturvorbild ist Auslöser, nicht Endziel.
Mein Generalthema war immer der Mensch in seiner Umwelt. Die Landschaft war nie Vorbild, bestenfalls Anlaß; in der Regel Denkfolie. Ausgangspunkt meines Denkens ist: Selbsterkennen, Entwicklung, temperamentzügelndes Verhalten, sowie Erkennen innerer Zwänge und äußerer Zusammenhänge. [...] Mein Tun ist auf Meditation und Reflexion zurückzuführen; mit zunehmender Auseinandersetzung - skizzieren und verwerfen, wieder neu skizzieren... - verfestigt sich meine Bildvorstellung. 1
Wie eine frühe Erfüllung dieser Anschauungen erscheint uns heute die Landschaft I von 1955 (WV B 16). Wäre kein Titel vorgegeben, so würde kaum ein Betrachter von "Landschaft" sprechen. Rote und weiße Farbfelder treten im Bildzentrum zusammen. Ein ockerfarbener "Rahmen" umschließt diese Mitte. Alle Farben sind durchgearbeitet. Die Wirkung des Rot wird durch seinen dunklen Fond beeinflußt. Das Ocker ist in rötlichere und weniger rötliche Partien differenziert. In ihm sind die Helligkeit des Weiß, die Leuchtkraft des Rot und das bräunliche Dunkel des Bildzentrums eingewoben. Aber der Künstler interessiert sich nicht nur für die Fragen nach dem Buntwert oder dem unbunten Charakter der Bild-Farben, sondern vor allem auch für die Qualitäten der Farbe als plastisch formbares Material. Die Farbpaste wird zum Bildrelief, das aus dem "Erkennen innerer Zwänge und äußerer Zusammenhänge" über "Meditation und Reflexion" durch "Skizzieren und Verwerfen" entstehen konnte.
Ganz anders verhält es sich bei dem ca. 1958 entstandenen kleinen Gemälde (WV B 25), das Ohne Titel ist, aber sofort Landschaftsassoziationen auslöst: ein horizontaler Bildstreifen markiert den planen Vordergrund; den Mittelgrund bauen kulissenartig aufsteigende Formelemente auf, die ebenso für Naturlandschaft als auch für Architektur stehen könnten; nach oben schließt ein leuchtender Gelb-Orange-Rot-Himmel die Szenerie ab. Die Auseinandersetzung mit dem Deutschen Expressionismus ist hier spürbar - aber auch die zukunftsträchtige Suche nach elementareren Ausdrucksformen.
Versucht man in dem so verwirrend erscheinenden Panorama der zeitgenössischen Kunst die großen Gliederungen zu erkennen, so stellt man überrascht fest, daß die überreiche Fülle der Argumente, Vorschläge und Experimente, die die Entwicklung und Entstehung der modernen Kunst begleitet hatten, sich wie in einem Brennspiegel zu wenigen Leitgedanken verdichtet hat. Eines ist sogleich festzustellen, daß die ganze Domäne der Auseinandersetzung mit den optischen Erscheinungsbildern der Gegenstandswelt nur noch schwache Impulse herzugeben vermag. Die Kunst ist abstrakt geworden. [...] Im großen erfolgte die Besitzergreifung der abstrakten Domäne in den Grenzen, die Mondrian und Kandinsky abgesteckt hatten. [...] In diese Lagerung aber brach mit erstaunlicher Gewalt eine ganz neue, dramatisch-dynamische abstrakte Ausdrucksmalerei ein. Sie wurde völlig unabhängig voneinander und in sehr persönlichen Ausprägungen vorgetragen durch Hartung, Wols und Pollock. [...] Seit etwa 1950 hat dieser neue abstrakte Expressionismus sich mit verblüffender Schnelligkeit über die ganze Welt verbreitet. 2
1959 besuchte Egon Eppich gemeinsam mit Oskar Koller und Toni Burghart die zweite documenta, die sich bei ihrer Definition der Modernen Kunst ganz auf "wenige Leitgedanken" konzentrierte - und es fällt auf, daß sich gerade in der Nürnberger Region die Künstler erst nach der zweiten dokumenta verstärkt mit den Möglichkeiten des Abstrakten Expressionismus (bzw. des Informel oder des Tachismus) auseinandersetzten. Auch Egon Eppich sucht erst um 1960 die Unmittelbarkeit der Ausdrucksfindung im direkten Umgang mit den Malmaterialien. Jetzt kann die Farbe zur Aktionsspur (WV B 33), zur haptisch wirksamen Farbkruste (WV B 43), zur im Fließen erstarrten Materie werden. Jetzt kann sie malerisch differenziert - und dennoch Trägerin zeichnerischer Elemente sein (WV B 68 und WV B 72).
lm Laufe der sechziger Jahre entwickelten sich aus den informellen Bildfindungen immer deutlicher artikulierte flächige Farb-Formen. Doch diese Entwicklung wurde ab 1968 durch die ganz anders geartete Werkgruppe der "Streifenbilder" abgelöst, die auf ein Landschaftserlebnis zurückgehen:
Anlaß für meine nach 1968 syntaktisch aufgebauten Bilder war ein Landschaftserlebnis, das ich im Januar desselben Jahres im Flugzeug in 12.000 m Höhe über Alberta und Saskatschewan (Kanada) hatte. 3
Es sind die Horizontalstreifen der Landschaft, die in Canada (WV B 131) und ähnlichen Werken "Prospekte hinter dem Prospekt" sichtbar machen wollen. Aus diesem Ansatz entwickeln sich einerseits "Streifenbilder" (wie: WV B 147), die die Möglichkeiten der Op-Art aufgreifen und andererseits solche, die sich auf musikalische Anregungen beziehen (WV B 151):
Verdichtung in Blau (1971) ist doch geradezu eine Orchesterpartitur, mit wechselnden Einsätzen verschiedener Instrumente, mit Crescendi und Decrescendi, mit leisen Episoden (weiß), die dann, immer durch den Takt gebündelt, dem kraftvollen Blau-Forte weichen. Und genau diese Dynamik ist es doch, dieses Hervortreten einer Zeit-Komponente, die deutlich macht, daß Eppich kein genuiner Konstruktivist ist. 4
Den Ruf, Konstruktivist zu sein, brachten dem Künstler vor allem seine ausgereiften Flächenkompositionen ein. Auf die weiße Fläche der grundierten Leinwand setzte er große, klar definierte Farbflächen, die an die Hard-Edge-Malerei denken lassen (vgl. WV B 79 und WV B 80). Durch sie aktivierte er den Bildraum. Innerhalb des Kontextes Bild dominiert die Frage nach der Zweidimensionalität als bilddefinierende Komponente. Innerhalb des Kontextes Architektur, wo Eppich das gleiche Flächenschema einsetzte, gewinnt die Dreidimensionalität Oberhand:
Der Swimmingpool im Ostteil des Hauses bekommt durch zwei Farb-Flächen-Formen verschiedener Größe [...] auf der rechten Seite der Stirnwand seine räumliche Spannung. Durch die verschiedene Lichtwertigkeit der Farbflächen erscheint die blaue Fläche nach hinten wegstrebend und die rote auf den Betrachter zukommend. Es entsteht also in der Phantasie des Betrachters ein Raum zwischen den beiden farbigen Flächen, der allerdings reine Illusion ist. Denn realiter liegen alle drei Flächen, auch die Zwischenfläche, in einer Ebene. Auch wirkt das Objekt noch in anderer Weise. Das Wasser bemächtigt sich seiner und trägt es durch den Swimmingpool. Das Wasser selbst wird zur Farbform. 5
In eine ganz anders geartete Wechselbeziehung treten Farbe, Form und Raum in jener Werkgruppe, zu der Entfaltung (WV B 203) und Farbdiagramm, vertikale Säule (WV P 44) gehören. Auslöser war hier die Idee der senkrecht stehenden Säule (genauer: Vierkantpfeiler), die dem Prinzip der horizontal lagernden Streifen als gestalterischer Antipode entgegentritt. Im Bild ist die weiße Bildfläche nicht mehr Zwischenraum, sondern Umraum. Ein Heraustreten der Farbsäule in den realen Raum liegt nahe. Das bildgestaltende Element läßt die Bildfläche hinter sich.
Acht vertikale Felder, Rot auf Weiß mit Gelb und Blau (WV B 275) thematisiert die Aneinanderreihung von Farbflächen. Das verbliebene Weiß des Bildgrundes wird hier - durch die Farbumklammerung an der unteren Bildkante - als weiße Fläche definiert, die zu den roten Flächen in Beziehung tritt. Außerdem deuten schmale blaue und gelbe Bildstreifen eine zweite, verdeckte Bildebene an. Der Raum im Bild ist ein anderer, als der Raum vor dem Bild - aber eine Verklammerung beider wird durch die Platzierung der Bildflächen erreicht. Kein Wunder, daß Egon Eppich dieses Bildschema bei seiner Raumgestaltung in der SchmidtBank, Sulzbacher Straße, auf Architektur bezogen anwandte.
Egon Eppichs Ausbildungs- und Wohnort war Nürnberg (bzw. Ellingen). Seine Kunst baute durchaus auf regionale Traditionen auf, wandte sich aber bald den internationalen Tendenzen der Kunst seiner Zeit zu. Egon Eppich, der über Jahre der wichtigste Vertreter der geometrischen Abstraktion in Nürnberg war, hörte nie auf, seine künstlerischen Ansätze zu hinterfragen und durch experimentellen Umgang mit den Möglichkeiten der Modernen Kunst zu neuen Lösungen zu führen. Der unmittelbare Einsatz des Materials Farbe stand dabei im Vordergrund.
ANMERKUNGEN:
1 Eppich, Egon: In eigener Sache, in: Egon Eppich. Werkübersicht II, Nürnberg 1984, S. 26
2 Werner Haftmann: Malerei nach 1945, im Katalog zu: documenta II, 1959, zitiert nach: Manfred Schneckenburger (Hrg.): documenta. Idee und Institution, München 1983, S. 53
3 Eppich, Egon: In eigener Sache, in: Egon Eppich. Werkübersicht II, Nürnberg 1984, S. 26
4 Wiese, Klaus Martin: Balance zwischen Ratio und Emotion, in: Egon Eppich. Werkübersicht II. Nürnberg 1984
5 Eppich Egon, in: Egon Eppich. Werkübersicht 1965-1974, Institut für moderne Kunst Nürnberg, Zirndorf 1974, S. 175