Gabrijel Stupica
Günter Braunsberg: Gabrijel Stupica
in: AUS DER SAMMLUNG. Seit 25 Jahren, Kunsthalle Nürnberg 1992, S. 10 – 11
Gabrijel Stupica
Kind im weißen Raum, 1975
Der Maler und sein Modell, 1974
Tempera und Collage auf Holz, je 239 x 146 cm, Inv.-Nr. 40
erworben 1975 für die Sammlung internationaler zeitgenössischer Kunst der Stadt Nürnberg
Dauerleihgabe im Neuen Museum Nürnberg
Jugoslawien nahm in der Zeit der Ost-West-Teilung Europas eine Sonderstellung ein. Obwohl politisch in Richtung Sozialismus orientiert, verlor es doch in kultureller Hinsicht nie die Verbindung zur internationalen (westlichen) Avantgarde. Zeigte die letzte Sammlungsausstellung (vgl. Skizze fünf, S. 8) mit Julije Knifer einen Vertreter der konkreten Malerei, so wird jetzt das Augenmerk auf Gabrijel Stupica gelenkt, dessen Kunst überregional am ehesten vergleichbar ist mit der Art brut des Franzosen Jean Dubuffet, der den klassischen Harmonie- und Kompositionsregeln der europäischen Akademien die Unmittelbarkeit einer "Kultur im Rohzustand" entgegensetzte. Auch Stupicas Malerei erinnert auf den ersten Blick an spontane, ungekünstelte Wandkritzeleien und an unverfälschte Kinderzeichnungen. Aber seine Verschmelzung von Malerei und Zeichnung mit objekthaften Materialien entwickelte sich nicht, wie bei Dubuffet, aus einer antiakademischen Grundhaltung. Stupica hatte vielmehr selbst an der Kunstakademie in Zagreb studiert, wurde Professor an der Akademie in Ljubljana und korrespondierendes Mitglied der Jugoslawischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Im Ausland repräsentierten seine Werke häufig die jugoslawische Moderne. Stupicas eigene künstlerische Entwicklung wurzelte in der europäischen Tradition, von deren überkommenem Formrepertoir er sich nur entfernte, um die Direktheit seiner künstlerischen Aussage zu steigern:
Manchmal bin ich selbst die weiße Leinwand; ein unscheinbares Ding darauf gelegt, ist wesentlicher als alle Farbfanfaren. ... Ich suche keine koloristischen, keine bravoureusen Effekte, keine plastischen und keine Farbwerte. ... Jede Farbe scheint mir fiktiv zu sein, nur das Weiß der Fläche, dieses sterile und unsentimentale Weiß, das weder Glück noch Unglück bedeutet, ist real.
Im Bild Kind im weißen Kleid (Abb. 1) liegen Farbschichten der unterschiedlichsten materiellen Qualität übereinander. Es fällt zum Beispiel auf, dass einerseits die Mädchenbeine aus flüssigfließender Farbe geformt sind, andererseits der Abdruck eines Spitzendeckchens am linken Bildrand als kompakt verfestigtes Farbrelief erscheint. Ein anderes Spitzendeckchen ist hingegen als Objekt ins Bild eingebracht, aber (genau wie der Blümchentüll des Kinderkleides) derart in Farbe getränkt worden, daß es sich den Farbqualitäten des Bildes angenähert hat. Dagegen bilden die ringförmige Straßbrosche im Haar des Kindes und der metallisch glänzende Ring aus Staniol einen deutlichen Gegenpol zur Malerei. Diese findet auch in den zeichnerischen Elementen der Bildstruktur einen Gegenspieler, wobei die linearen Formen, Zeichen und Schriftzüge sowohl auf die krustige Farbhaut gezeichnet, als auch in sie hineingeritzt sein können. Aber all diese technischen Mittel dienen dem Künstler nur zur Steigerung seiner poetischen Innenschau.
Das sind Anhäufungen von Gedanken und Fragen, für die es keine ästhetische "Sicherheit" gibt, sagte Stupica, dessen Mädchenparadies eine Wunschlandschaft der geschlechtlosen Liebe, der kristallisierten Gefühle ist. Das Kind im weißen Raum balanciert wie eine Seiltänzerin im Leerraum der Schwerelosigkeit. Die Kind-Frau ist zugleich Tochter (vgl. Der Maler und sein Modell) und Ideal-Braut = Partnerin. Sie kündet von der Hoffnung auf liebevolle Partnerschaft zwischen den Menschen und verdeutlicht gleichzeitig die tiefe Lebensungewißheit, die Verlassenheit der menschlichen Existenz.
1970 schloß die Stadt Nürnberg mit Stupica einen Ankaufsvertrag über 17 Bilder ab. Mit ihrer Hilfe sollte, dem Konzept von Dietrich Mahlow folgend, ein Künstlerraum eingerichtet werden, um eine charakteristische künstlerische Haltung innerhalb der modernen Kunst im neu zu schaffenden Museum zu repräsentieren. Trotz des Scheiterns der Museumspläne war der Künstler bereit, die am Ende 13 Gemälde umfassende exemplarische Werkgruppe 1975 auszuliefern:
Ich würde mich freuen, wenn man merken könnte, daß ich für die früheren Ahnungen, Andeutungen und Versprechungen die Grenzen erweitern und neue Dimensionen entdecken wollte.
Das sind Anhäufungen von Gedanken und Fragen, für die es keine ästhetische "Sicherheit" gibt, sagte Stupica, dessen Mädchenparadies eine Wunschlandschaft der geschlechtlosen Liebe, der kristallisierten Gefühle ist. Das Kind im weißen Raum balanciert wie eine Seiltänzerin im Leerraum der Schwerelosigkeit. Die Kind-Frau ist zugleich Tochter (vgl. Der Maler und sein Modell) und Ideal-Braut = Partnerin. Sie kündet von der Hoffnung auf liebevolle Partnerschaft zwischen den Menschen und verdeutlicht gleichzeitig die tiefe Lebensungewißheit, die Verlassenheit der menschlichen Existenz.
1970 schloß die Stadt Nürnberg mit Stupica einen Ankaufsvertrag über 17 Bilder ab. Mit ihrer Hilfe sollte, dem Konzept von Dietrich Mahlow folgend, ein Künstlerraum eingerichtet werden, um eine charakteristische künstlerische Haltung innerhalb der modernen Kunst im neu zu schaffenden Museum zu repräsentieren. Trotz des Scheiterns der Museumspläne war der Künstler bereit, die am Ende 13 Gemälde umfassende exemplarische Werkgruppe 1975 auszuliefern:
Ich würde mich freuen, wenn man merken könnte, daß ich für die früheren Ahnungen, Andeutungen und Versprechungen die Grenzen erweitern und neue Dimensionen entdecken wollte.