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Guillaume Bijl

Guillaume Bijl

Günter Braunsberg: Guillaume Bijl. Einde Reeks, 1989
in: AUS DER SAMMLUNG. Skizze fünf, Kunsthalle Nürnberg 1991, S. 23



Einde Reeks, 1989

Arrangement aus 22 Korb-, Bast- und Bambusteilen mit einem Schild, Inv.-Nr. 886
erworben 1991 für die Sammlung internationaler zeitgenössischer Kunst der Stadt Nürnberg
Dauerleihgabe im Neuen Museum Nürnberg

Bereits 1913 (33 Jahre vor Guillaume Bijls Geburt) durchbrach Marcel Duchamp die Grenzen der traditionellen Kunst und ihrer Gattungen (Skulptur, Malerei usw.). Er führte das in unserer alltäglichen Umwelt vorgefundene, reale Objekt in den Kunst-Kontext ein, indem er die Vorderachse eines Fahrrades so auf einen Hocker (=Sockel) montierte, dass das Fahrrad-Rad (entgegen seiner ursprünglichen Funktion) freibeweglich nach oben gehalten wurde. Durch seine Präsentation erfuhr der an sich alltägliche, kaum beachtete Gegenstand einen Bedeutungswandel. Das Fahrrad-Rad wurde zum Kunst-Objekt, das sich gegen das sentimentale Kunstverständnis wandte, beim Betrachter Nachdenken über die Kunst und ihre Grenzen provozierte und den Künstlern neue Möglichkeiten an die Hand gab, künstlerisch auf unsere Welt zu reagieren.
Der belgische Künstler Guillaume Bijl transformiert auf dem direktest möglichen Weg unseren alltäglichen gesellschaftlichen Umraum in den Kunst-Raum des Museums. So präsentierte er zum Beispiel auf der Biennale in Venedig 1988 ein vollständig ausgestattetes Büro. Sachlich kühle Architektur, auf die Angestellten wartende Arbeitsgeräte (Schreibmaschinen, Telefone usw.) und "Menschlichkeit" ausstrahlende Accessoirs (Zimmerpflanzen, Fotokalender usw.) veranschaulichten - trotz der Abwesenheit der "Akteure" die Rahmenbedingungen unseres (Geschäfts-)Lebens.

Auf unsere Konsumwelt und unser Kosumverhalten bezieht sich hingegen Bijls mit Einde Reeks überschriebene Arbeit. Der Schriftzug in niederländischer Sprache besagt, dass es sich bei den aufgestellten Waren um das "Ende einer Serie" handelt, im Sinne des französischen "fin de serie", oder des deutschen Begriffs "Restposten". Der Künstler scheint die (Schaufenster-) Dekoration eines Ratan-Ladens unverändert vor die Museumswand platziert zu haben. Aber er wählte aus und gestaltete, um in einer beispielhaften Simulation die Warenhausästhetik auf den Punkt zu bringen. Dem Museumsbesucher wird die Alltagsästhetik bewusst, an der er sonst vorbeigeht, die er unbeachtet lässt - und die dennoch unbewusst sein Empfinden beeinflusst. Symmetrie, Groß-Klein-Komposition, Akzentuierungen (z. B. durch den Schriftzug), Material- und Farbarrangements gehören zum selbstverständlichen Repertoire der Dekorateure. Erheben solche Schöpfungen aber im Museumsraum den Anspruch "Kunst" zu sein, so wirken sie nach wie vor provokant.

Noch immer scheint der Rezipient einen tieferen Sinn zu suchen. Im 16. Jahrhundert verwiesen die niederländischen Stillleben (die erstmals die Bildwürdigkeit alltäglicher Gegenstände vorzeigten) durch ihre christliche Symbolik auf die Bedeutung des Transzendenz-Gedankens innerhalb der damaligen Gesellschaftsordnung. Die "compositions trouvees" des heute lebenden Flamen Guillaume Bijl verdeutlichen das Gegenteil: Konsum- und Diesseitsorientierung in der modernen kapitalistischen Welt.

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