Hans Peter Reuter
Günter Braunsberg: Hans Peter Reuter. Licht-Raum (450)
in: AUS DER SAMMLUNG. Bilder und Objekte, Kunsthalle Nürnberg 1990, S. 17-18
in: AUS DER SAMMLUNG. Bilder und Objekte, Kunsthalle Nürnberg 1990, S. 17-18
Licht-Raum (450), 1988
Öl auf Leinwand, 250 x 200 cm
Bez. auf der Rahmenleiste: Hans Peter Reuter LICHT-RAUM (450) 1988 fertiggestellt 21.8.1988 Inv.-Nr. 855, erworben 1990 für die Sammlung internationaler zeitgenössischer Kunst der Stadt Nürnberg, Dauerleihgabe im Neuen Museum Nürnberg
Blaue Kachelräume sind Hans Peter Reuters "Markenzeichen". Wie kam es dazu?
Während seines Kunststudiums an der Karlsruher und Münchner Akademie (1963-1967), dem er ein kurzes Kunstgeschichtsstudium anschloss, malte Reuter unter anderem ins Bildformat "gequetschte Figuren". (Angeregt wurde er hierzu vor allem durch die in sich gedrehten und miteinander verschlungenen Gestalten aus Rubens Gemälden Kleiner Engelssturz und Amazonenschlacht in der Alten Pinakothek). Aus diesen deformierten, "gequälten" Akten entwickelte er von der Mitte bis zum Ende der sechziger Jahre seine surrealen, baumartigen, mit Tentakelarmen in den Raum greifenden "Dinger" - eine Bezeichnung, die auf Redewendungen der Karlsruher Mundart anspielt, wie z. B.: "Des isch en komischer Dinger". Dieses im Singular wie im Plural identische Wort bezeichnet einen eigenartigen, verschrobenen Menschen. Die "Dinger" (die mehr und mehr von den Interpreten und schließlich auch vom Künstler mit dem hochdeutschen "Ding" gleichgesetzt wurden) bevölkerten anfangs Außen- und dann vor allem Innenräume, die immer deutlicher als geflieste "Stadtbäder" in Erscheinung traten. 1970 verschwand mit den "Dingern" sämtliches Leben aus Reuters Bildern. Aber gerade dadurch wurde die beklemmende Leere der Fliesenräume (gesteigert durch die kalte Präzision der Malerei) zu einem Sinnbild moderner Existenz.
In den folgenden Jahrzehnten fand Reuter immer neue Wege, um (innerhalb seines Fliesen Themas) das streng flächenbezogene Denken der Abstrakten Malerei (Fliesen als "Raster") mit den Möglichkeiten des malerischen Illusionismus (Perspektive, Lichtführung) zu verbinden. So trat zum Beispiel auch der "Farb-Raum" der monochromen Malerei in eine Wechselwirkung zur Oberflächenstruktur gefliester Wände.
Im Gegensatz dazu konzentriert sich das Gemälde Licht-Raum (450) auf Licht und Raum. Die abgebildete, "post-moderne" Architektur wird von keinem Sockel getragen und ist auch nach oben und seitlich unbegrenzt. Die Rampen lassen Stufenpyramiden assoziieren. Die gewaltigen Pfeiler gemahnen an Monumentalarchitektur. Die hellblauen Quadratfliesen akzentuieren die konstruierte Perspektive und verdeutlichen die Qualität des Lichts. Dieses Licht ist gleisendheil und leuchtet von hinten und oben. Es steigert die Schwerelosigkeit und Entrücktheit der völlig symmetrischen Inszenierung, die nicht begehbar ist.