Holger Bunk
Günter Braunsberg: Holger Bunk. Zweifacher Raum
in: AUS DER SAMMLUNG. Nach 25 Jahren, Kunsthalle Nürnberg 1992, S. 20-22
Zweifacher Raum, 1984
zwei Gemälde, Acryl auf Leinwand, je 300 x 350 cm, bez. jeweils unten links: BUNK 84
Inv.-Nr. 896.1 und 896.2, erworben 1992 für die Sammlung internationaler zeitgenössischer Kunst der Stadt Nürnberg, Dauerleihgabe im Neuen Museum Nürnberg
Es ging mir immer um den Bereich, wo in der Malerei Tun und Denken ganz nah beieinander sind, wo man in einem gemachten Bild das Gedachte aufspüren kann.
Holger Bunks Werk Zweifacher Raum besteht in seiner heutigen Museumspräsentation aus zwei Gemälden, die eine gedankliche Einheit bilden. Ursprünglich entstanden sie als Teil einer zusammenhängenden Installation für die Ausstellung von hier aus, die 1984 in einer der Düsseldorfer Messehallen stattfand. Holger Bunk nutzte damals die ihm zur Verfügung stehende Kojenwand - die nicht Teil eines in sich geschlossenen Raumes war, sondern stellwandartig, ohne feste architektonische Verbindung zu Fußboden und Decke, aus dem Großraum der Messehalle abgetrennt wurde - um ein kulissenartig gestaltetes Wandkontinuum aufzubauen, das sich mit Hilfe bemalter, hölzerner Staffagen in den vor ihm liegenden Raum fortsetzte. Die beiden großformatigen Gemälde waren in diese Installation integriert.
Bei neueren Bildern, vor allem bei den Installationen mit aus Holz ausgesägten Bildelementen, die vor dem eigentlichen Bild aufgestellt werden, spielt die Perspektive eine wichtige Rolle. [...] Die Zone vor dem Bild wird einbezogen, bzw. ein Teil aus dem eigentlichen Bild ausgelagert, so dass je nach Blickpunkt entweder das Bild von der Wand aus in den Raum eingreift oder der Raum im Bild an der Wand fortgesetzt wird.
Die heutige Museumspräsentation ist kein unvollständiger Torso eines ursprünglich umfassenderen Konzeptes, sondern eine vom Künstler ganz bewusst vorgenommene Umwandlung durch Bezugnahme auf die museale Präsentationsform. Sie hinterfragt die Erwartungshaltung des Besuchers, der in einem Galerieraum eine Abfolge verschiedener Gemälde zu sehen gewohnt ist. Die auf den ersten Blick fast identischen Gemälde von Zweifacher Raum widersprechen diesen Voraussetzungen. Dadurch irritieren sie und provozieren das Nachdenken.
Die Bilder setzen den Raum des Betrachters fort. Sie fordern ihn auf, über drei Stufen das Zentrum des Geschehens zu "betreten". Zusätzlich wird der nach dem Sinn der Gemälde fragende Rezipient von seinem gemalten Gegenüber gemustert. Es entsteht ein Dialog. Die Person außerhalb des Bildes wird in die Fragestellungen des Kunstwerks einbezogen.
Die Hauptperson auf der Bühne des Bildes ist der Künstler selbst als Beispiel eines Individuums unserer Zeit und unserer Gesellschaft. Er schreitet aus dem Bild heraus auf den Betrachter zu, stößt sogar mit seiner Fußspitze über die Begrenzung "seines" Raumes hinaus. Alle anderen dargestellten Personen stehen offensichtlich in enger Beziehung zu ihm und seiner Gedankenwelt. Sie vertauschen vom einen zum anderen Bild ihre Positionen bzw. Rollen: Einmal verharrt ein Mann im Raum des Künstlers, während eine Frau dazukommt, im anderen Fall bleibt die Frau und der Mann verlässt die Bühne des Geschehens. Jede Person ist von der anderen Person isoliert. Untereinander findet keine Kommunikation statt. Jede Person bleibt in den eigenen Wünschen und Gefühlen befangen und sieht mit geheimnisvoll fragendem Blick den Betrachter an.
Die Einblicke in die seitlich bzw. hinten gelegenen Nebenräume gehören einer anderen Realitätsebene an. Hier scheinen die nackten Frauen bzw. Männer die Phantasien des introvertiert wirkenden, männlichen Künstlers anzudeuten.
Eine noch weiter entfernte Realitätsebene stellen die Supraporten dar, die als Bilder im Bild Kunst im Kunstwerk zeigen. Nur hier ist wirkliche Aktion und enge körperliche Annäherung möglich: in großer Bewegung hebt ein aktiver Mann seinen Arm; ein Paar tanzt eng aneinandergelehnt.
Proportionen, Lichtverläufe, Farbübergänge, die das Auge in realen Räumen gewöhnt ist, werden in der Perspektive der gemalten Räumlichkeit aufgenommen und weitergeführt in Bereiche, die nur der Malerei zur Verfügung stehen.
Holger Bunk geht es keineswegs nur um die Andeutung erzählerischer Inhalte, die sein Lebensgefühl ausdrücken. Ihm geht es vor allem auch um die Problemstellungen innerhalb des Kontextes Kunst. Er schafft Bildräume, die er mit künstlerischen Mitteln mit dem realen Raum verbindet, ohne illusionistische Malerei zu betreiben. Seine Bildarchitekturen sind nur auf den ersten Blick denkbare Fortsetzungen der Realität. Auf den zweiten Blick handelt es sich, inhaltlich betrachtet, um Gehäuse für Gedankengebäude - und formal um Flächengebilde, die für das Malerische im reinsten Sinne des Wortes freigesetzt werden.
Wie Stephan Balkenhol (vgl. AUS DER SAMMLUNG. Skizze fünf, 1991, S. 21) gehört Holger Bunk zur Generation der in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts geborenen Künstler, welche die Kunst ihrer Lehrer, die sich auf ungegenständliche Formen und Stilelemente bezogen, weiterentwickelten, indem sie wieder auf die Ausdrucksmöglichkeiten gegenständlicher Motive zurückgriffen. Aber sie taten das nicht gegen, sondern im Rahmen der Entwicklung der modernen Kunst. In der heutigen Kunst geht es nicht um neue Stile, bzw. "Ismen", sondern um die Haltung des konzeptuell denkenden und argumentierenden Künstlers, die nicht durch bestimmte Formen eingeschränkt werden kann.
In der Nürnberger Galerie Traude Näke fand 1979 Holger Bunks erste Einzelausstellung statt. Von Dezember 1990 bis Januar 1991 zeigte die Kunsthalle Nürnberg einen Überblick des bisherigen Schaffens des Künstlers.
(Zitate von Bunk: von hier aus, Ausstellungskatalog Düsseldorf, 1984, S 257ft)
Die heutige Museumspräsentation ist kein unvollständiger Torso eines ursprünglich umfassenderen Konzeptes, sondern eine vom Künstler ganz bewusst vorgenommene Umwandlung durch Bezugnahme auf die museale Präsentationsform. Sie hinterfragt die Erwartungshaltung des Besuchers, der in einem Galerieraum eine Abfolge verschiedener Gemälde zu sehen gewohnt ist. Die auf den ersten Blick fast identischen Gemälde von Zweifacher Raum widersprechen diesen Voraussetzungen. Dadurch irritieren sie und provozieren das Nachdenken.
Die Bilder setzen den Raum des Betrachters fort. Sie fordern ihn auf, über drei Stufen das Zentrum des Geschehens zu "betreten". Zusätzlich wird der nach dem Sinn der Gemälde fragende Rezipient von seinem gemalten Gegenüber gemustert. Es entsteht ein Dialog. Die Person außerhalb des Bildes wird in die Fragestellungen des Kunstwerks einbezogen.
Die Hauptperson auf der Bühne des Bildes ist der Künstler selbst als Beispiel eines Individuums unserer Zeit und unserer Gesellschaft. Er schreitet aus dem Bild heraus auf den Betrachter zu, stößt sogar mit seiner Fußspitze über die Begrenzung "seines" Raumes hinaus. Alle anderen dargestellten Personen stehen offensichtlich in enger Beziehung zu ihm und seiner Gedankenwelt. Sie vertauschen vom einen zum anderen Bild ihre Positionen bzw. Rollen: Einmal verharrt ein Mann im Raum des Künstlers, während eine Frau dazukommt, im anderen Fall bleibt die Frau und der Mann verlässt die Bühne des Geschehens. Jede Person ist von der anderen Person isoliert. Untereinander findet keine Kommunikation statt. Jede Person bleibt in den eigenen Wünschen und Gefühlen befangen und sieht mit geheimnisvoll fragendem Blick den Betrachter an.
Die Einblicke in die seitlich bzw. hinten gelegenen Nebenräume gehören einer anderen Realitätsebene an. Hier scheinen die nackten Frauen bzw. Männer die Phantasien des introvertiert wirkenden, männlichen Künstlers anzudeuten.
Eine noch weiter entfernte Realitätsebene stellen die Supraporten dar, die als Bilder im Bild Kunst im Kunstwerk zeigen. Nur hier ist wirkliche Aktion und enge körperliche Annäherung möglich: in großer Bewegung hebt ein aktiver Mann seinen Arm; ein Paar tanzt eng aneinandergelehnt.
Proportionen, Lichtverläufe, Farbübergänge, die das Auge in realen Räumen gewöhnt ist, werden in der Perspektive der gemalten Räumlichkeit aufgenommen und weitergeführt in Bereiche, die nur der Malerei zur Verfügung stehen.
Holger Bunk geht es keineswegs nur um die Andeutung erzählerischer Inhalte, die sein Lebensgefühl ausdrücken. Ihm geht es vor allem auch um die Problemstellungen innerhalb des Kontextes Kunst. Er schafft Bildräume, die er mit künstlerischen Mitteln mit dem realen Raum verbindet, ohne illusionistische Malerei zu betreiben. Seine Bildarchitekturen sind nur auf den ersten Blick denkbare Fortsetzungen der Realität. Auf den zweiten Blick handelt es sich, inhaltlich betrachtet, um Gehäuse für Gedankengebäude - und formal um Flächengebilde, die für das Malerische im reinsten Sinne des Wortes freigesetzt werden.
Wie Stephan Balkenhol (vgl. AUS DER SAMMLUNG. Skizze fünf, 1991, S. 21) gehört Holger Bunk zur Generation der in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts geborenen Künstler, welche die Kunst ihrer Lehrer, die sich auf ungegenständliche Formen und Stilelemente bezogen, weiterentwickelten, indem sie wieder auf die Ausdrucksmöglichkeiten gegenständlicher Motive zurückgriffen. Aber sie taten das nicht gegen, sondern im Rahmen der Entwicklung der modernen Kunst. In der heutigen Kunst geht es nicht um neue Stile, bzw. "Ismen", sondern um die Haltung des konzeptuell denkenden und argumentierenden Künstlers, die nicht durch bestimmte Formen eingeschränkt werden kann.
In der Nürnberger Galerie Traude Näke fand 1979 Holger Bunks erste Einzelausstellung statt. Von Dezember 1990 bis Januar 1991 zeigte die Kunsthalle Nürnberg einen Überblick des bisherigen Schaffens des Künstlers.
(Zitate von Bunk: von hier aus, Ausstellungskatalog Düsseldorf, 1984, S 257ft)